Dienstag, 27. Oktober 2015
Der Berg
Langsam. Einen Fuß vor den Anderen. Stück für Stück kämpfte ich mich weiter den Berg hinauf. Mit jedem Schritt sanken, die Steigeisen an meinen Füßen, tief in den Schnee ein. Das Seil an meinem Gurt spannte sich. „Mach schneller, wir sind fast da!“ rief Jens mir zu. Er ging vor mir am Seil und hatte schon einen beträchtlichen Abstand zwischen uns gebracht. „Jetzt komm. Das Seil ist nicht dazu gedacht, dass ich dich ziehe!“ „Ja, das weiß ich, aber ich kann nicht mehr.“ Antwortete ich. „Nicht mehr weit!“ munterte Bobby, der hinter mir ging, mich auf. Ich blickte nach oben. Wir waren tatsächlich fast da. Ich riss mich zusammen und ging weiter. Noch 3 Schritte. Noch 2 Schritte. Noch einen Schritt. Ich rutschte ab. Doch ehe ich denn Abhang zu Bobby runterrutschen konnte, straffte sich das Seil und ein paar helfende Hände zogen mich nach oben auf die Plattform. Kurz darauf kam auch Bobby als letzter oben an. „Danke!“ keuchte ich erschöpft während Roland das Seil von meinem Gurt löste. „Wir bleiben etwa eine Stunde oben. Ihr könnt was essen, Selfies mit dem Gipfelkreuz machen…“ er wies kopfschüttelnd in Richtung der Anderen. „oder was man in eurem Alter halt so macht. Dann machen wir uns wieder an den Abstieg.“ Ich nickte und setzte mich etwas abseits auf einen Stein. Dann blickte ich mich um. Schnee und Berge, soweit das Auge reichte. Ich hatte noch nie zuvor so viel unberührten Schnee gesehen. Durch die Sonne glitzerte er so sehr, dass es fast in den Augen wehtat. Es war atemberaubend. Ich malte mit meinen Fingern einen Smiley in den Schnee, da traf mich etwas am Hinterkopf. Ich blickte mich um und sah wie Josie lachend einen weiteren Schneeball formte. „Na warte!“ rief ich und formte ebenfalls einen Schneeball. Ich zielte, warf und ging dann schnell hinter Bobby in Deckung, der gerade dabei war, einen Apfel zu schneiden. Leider verfehlte ich das Ziel und traf stattdessen Bella. Bella sprang auf und wollte wissen, wer das gewesen sei, und Josie deutete auf mich. Leider interpretierte Bella das falsch und seifte Bobby ein. Kurz darauf brach das Chaos los und jeder ging mit Schneebällen auf jeden los. Schließlich mussten Roland und Tilde eingreifen, und uns daran erinnern, dass wir uns auf einem Berggipfel in 4000 Meter Höhe befanden und das nicht der richtige Ort für eine Schneeballschlacht sei. Wir machten noch ein paar Gruppenfotos und begannen dann wieder den Abstieg. Runter war es zwar deutlich weniger anstrengend, aber abends vielen trotzdem alle müde in ihre Betten. Und ich schlief mit einem Lächeln auf den Lippen ein und träumte noch einmal von meinem ganz persönlichen Triumph: Ich hatte den 4000 Meter hohen Berg bezwungen.



Sonntag, 25. Oktober 2015
Hallo...
...ich möchte mich kurz vorstellen. Mein Name ist Melissa. Eigentlich gehe ich in die 10. Klasse. Aber momentan reise ich lieber durch die Weltgeschichte. Wenn ich etwas nennenswertes erlebe, werde ich es aufschreiben. Außerdem bin ich depressiv und mache mir viele Gedanken, die werde ich ebenfalls aufschreiben. (Aber spätestens nach dem Winter sollten es nicht mehr viele sein, da es mir immer besser geht.) Ich hoffe einfach mal das Beste und mal sehen, was aus diesem Blog wird.
Melissa



Samstag, 24. Oktober 2015
Die Letzte Nacht
Langsam schlichen wir die Treppe hinunter. Die Treppenstufen knarzten unter unseren Füßen. Mit jedem Schritt, hofften wir, nicht das ganze Schloss aufzuwecken. Als wir unten waren, hielten wir einen Moment inne. Alles war ruhig. Ich sah auf meine Armbanduhr; 23:41 Uhr. Juli drehte sich zu mir um. Ich atmete tief durch und nickte ihr zu. Schließlich ergriff ich die Türklinke und zog die Tür einen Spalt weit auf. Juli spähte hinaus. „Siehst du jemanden?“ fragte ich angespannt. „Nein, sieht so aus als wäre die Luft rein.“ Antwortete sie. „Okay, dann los!“ Ich zählte von 3 runter und stieß die Tür auf. Dann rannten wir. Wir rannten im Licht der Laternen über den Parkplatz, über die taubedeckte Wiese und die kühle Nachtluft zog an mir vorbei. Wir drehten uns nicht um. Wir blieben nicht stehen. Und als wir die Laternen hinter uns gelassen hatten, liefen wir im Dunkeln weiter, bis wir schließlich den Waldrand erreichten. Dort blieben wir stehen.
Ich blickte zurück auf das schlafende Schloss. Es sah friedlich aus. Nirgendwo brannte Licht. Und als ich an die schlafenden Bewohner dachte, wusste ich, dass ich es vermissen würde.
„Komm weiter!“ flüsterte Juli und riss mich aus meinen Gedanken. Sie hatte inzwischen eine Taschenlampe aus ihrem Rucksack hervor geholt und ging zielstrebig tiefer in den Wald hinein. Ich folgte ihr. Jedenfalls versuchte ich es, so gut es ging. Doch da ich keine eigene Taschenlampe besaß und Juli ein beachtliches Tempo drauf hatte, stolperte ich mehr als ich lief. „Hey, kannst du mal nicht so schnell gehen? Ich sehe kaum was!“ beschwerte ich mich. „Musst du jetzt auch nicht mehr. Wir sind da.“ Sagte sie und blieb in der Mitte eines breiten Schotterweges stehen.
Ich sah mich um. Der Boden war übersäht von Zigarettenstummel im Gebüsch lagen leere Kippenschachteln und zerbrochene Glasflaschen von hochprozentigem Alkohol. „Das ist also einer der berüchtigten Raucherplätze.“ Schlussfolgerte ich. „Richtig!“ Nuschelte Juli mit einer Zigarette im Mund. Sie wies mit der Taschenlampe in eine Richtung. „Wenn du dem Weg in diese Richtung folgst, kommst du auch aufs Schulgelände. Von dort müssten auch die anderen kommen. Wir haben eine Abkürzung genommen.“ Sie hielt mir ihre Zigarettenpackung hin. „Auch eine?“ „Nein, danke!“ antwortete ich. „Ach stimmt, du rauchst ja nicht.“ Sagte sie und steckte die Packung wieder ein. „Du hast nicht zufällig trotzdem Feuer, oder?“ „Doch hab ich!“ sagte ich und kramte in meiner Hosentasche nach dem Feuerzeug. „Habe ich heute Nick, dem kleinen unverschämten Fünftklässler abgenommen.“ Ich zündete Julis Zigarette an. „Ah, das tut gut!“ sagt sie und blies mir den Rauch ins Gesicht. Ich hustete und ging einen Schritt zurück. Dann standen wir ein paar Minuten nur still da und starrten in die Dunkelheit, die regelmäßig vom Glimmen der Zigarette erleuchtet wurde. „Schon komisch, dass morgen alles vorbei ist, oder?“ fragte Juli. „Ja.“ Antwortete ich abwesend. „Ich mein, es ist wie immer. Wir verabschieden uns, fahren in die Sommerferien und so weiter. Aber nach den Sommerferien wirst du einfach nicht wiederkommen.“
Sie wollte weiter reden, doch auf einmal blendete uns der Schein von Taschenlampen.
„Hey, da seid ihr ja endlich!“ begrüßte Juli die Anderen. „Wieso hat das so lange gedauert?“ „Martini ist eingeschlafen. Ich musste ihn wieder aufwecken.“ Antwortete Jano. Martini entgegnete: „Jano hat mich zu spät geweckt!“ „Der Nachtwächter stand vor meinem Haus. Ich musste warten, bis er weg war.“ Erklärte Ula. „Ich hab auf Ula gewartet.“ Sagte Conrad. Juli senkte die Taschenlampe. „Ok. Wer hat was zu trinken dabei?“ fragte sie. „Martini, hast du FlipFlops an?“ unterbrach ich Julis Bestandaufnahme. „Ja, alle anderen Schuhe hab ich schon im Koffer, und die Socken auch.“ Antwortete er. Die Anderen verdrehten die Augen. Ich lächelte. Es war so banal. Es war kurz vor Mitternacht und er stand mit T-Shirt, Jogginghose und FlipFlops im Wald. „Ist dir nicht kalt?“ fragte Ula und sprach damit meine Gedanken aus. „Nö, passt schon.“ Sagt er. „Können wir los?“ „Ja, ich würde vorschlagen, wir gehen in Richtung Friedhof. Auf dem Weg dorthin, gibt es eine große Wiese, da können wir uns hinsetzten.“ Erklärte Juli.
Also gingen wir in Richtung Friedhof. Und als wir aus dem Schatten der Bäume traten, erhellte der Mond uns den Weg. Wir schalteten die Taschenlampen aus und setzten uns in die Mitte einer Wegkreuzung. Conrad machte ein kleines Feuer und ich kippt ein wenig Vodka hinein um den Brand zu beschleunigen. Den Rest nahm Juli und vermischte ihn mit Orangensaft. Dann setzten wir uns alle um das Feuer, erzählten uns alte Geschichten und tranken. Und während ich ins Feuer blickte und den Geschichten der Anderen lauschte, wusste ich, dass ich diese letzte Nacht und die Zeit im Internat niemals vergessen würde.